Zusammenfassung. Zielsetzung: Alkoholabhängige Personen (AP) zeigen riskanten Alkoholkonsum trotz des Wissens um dessen objektive Risiken. Um die Bedeutung des Konstrukts Risikowahrnehmung für diese Diskrepanz zu überprüfen, wurde die „accuracy“ Hypothese und der „optimistic bias“ bei Alkoholabhängigkeit untersucht. Methodik: Zur Hypothesenprüfung wurden vier Dimensionen alkoholbezogener Risikowahrnehmung bei 73 stationär behandelten AP und 75 Kontrollpersonen (KP) anhand eines neu entwickelten deutschsprachigen Fragebogens verglichen und mit Alkoholkonsum in Beziehung gesetzt. Ergebnisse: AP schätzten im Vergleich zu KP eigene Risiken als höher ein und bewerteten diese als bedrohlicher. Trotz realistischer Wahrnehmung tendierten sie zu optimistischer Unterschätzung der eigenen Risiken. Wahrgenommene Vulnerabilität und Peer Vulnerabilität klärten neben der Diagnose Varianz im Konsum (AP: vor Behandlungsbeginn) auf. Der positive Zusammenhang zwischen Konsumverhalten und affektiver Bewertung von Risiken zeigte sich nur bei AP. Schlussfolgerungen: Die „accuracy“ Hypothese wurde bestätigt und konnte die realistische Wahrnehmung der Alkoholrisiken bei AP erklären. Gleichzeitig zeigten AP einen „optimistic bias“, welcher zu fortdauernd riskantem Trinken beitragen könnte. Das Konstrukt Risikowahrnehmung bietet Hypothesen für längsschnittliche Therapiestudien an, durch die weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist.